Welterbegerechtes Bauen
Bauen im Welterbe und im Sinne des Welterbegedankens bedeutet eine sorgsame und bewusste Herangehensweise an den Umgang mit bestehenden und neuen Bauten.Baukultur ist Identität
Im Sinne der Etablierung eines Schutzsystems der regionalen Baukultur soll die Gestaltung von Bauwerken mit der Wirkung der Landschaft harmonieren. Dabei geht es nicht allein um Schutz und Revitalisierung historischer Bausubstanz, sondern auch um neu errichtete Gebäude. Die Region verfügt über eine bemerkenswerte Dichte an zeitgenössischen Gebäuden, die an die baukulturelle Tradition anknüpfen und diese zeitgemäß interpretieren. Beispiele sind die Nationalparkzentren Illmitz und Sarród, das Weinwerk in Neusiedl, das Wander Bertoni Ensemble in Winden, die Seesiedlung Jois sowie eine Reihe moderner Weinkellereien.
Moderne Anforderungen
Heute ist das Welterbegebiet in einer beneidenswerten Position: Es liegt im Nahbereich der prosperierenden Stadtregionen Wien-Bratislava-Györ und ist mittlerweile selbst ein dynamischer Wirtschaftsraum. Auf der anderen Seite ist es geprägt von einer einzigartigen Landschaft mit sensiblen, international anerkannten Schutzgebieten. Im Spannungsfeld zwischen Bewahren und Wachsen prallen aber naturgemäß entsprechende Anforderungen und (ökonomische) Wünsche aufeinander.
Eine zur nachhaltigen Entwicklung fähige Welterbestätte muss diese zum Ausgleich bringen.
Wechselwirkungen
Das Land prägt die Menschen und ihre Bauwerke. Die Verwendung vorhandener Materialien ist seit jeher eine Selbstverständlichkeit: Schilf, Holz, Lehm und – für aufwändigere Gebäude, beziehungsweise nach Verfügbarkeit und Örtlichkeit – Sandstein und Ziegel. Diese Materialien wirken aber auch wieder auf das Landschaftsbild zurück und haben das homogene, reizvolle Bild des Ineinandergleitens von Ortschaften und umgebender Landschaft entstehen lassen. Heute sind Materialien ohne Bezug zum Ort schnell und günstig greifbar und oft fehlt das Gespür, regionale Verankerung aufzugreifen. Wenn schnell und billig die Devise ist, darf es nicht verwundern, dass manche Neubausiedlungen zu uniformen Katalogschauplätzen werden, obwohl das Gegenteil angestrebt wurde.
Die ländlichen Bauten – einfach oder barock
Die einfachste Hausform rund um den Neusiedler See ist der traditionelle Streckhof. An einen dreiteiligen Wohnteil mit Stube, Küche, Vorraum und Kammer schließt in der Längsachse der Wirtschaftsteil an. Als Baumaterial fanden Stampflehm oder luftgetrocknete Lehmziegel Verwendung, zur Deckung Schilf.
Bereits im 16. Jhdt. setzte in wirtschaftlich gut entwickelten Gebieten der Übergang vom Bauern- oder Weinhauerhaus zum bäuerlichen Anwesen mit bürgerlichem Gepräge ein. Es entstanden Steinbauten, gefertigt unter anderem aus dem Sandstein des St. Margarethener Römersteinbruches.
Schöne alte Häuser, oder?
Das individuelle Alter der Häuser ist nirgendwo sehr hoch. Abgesehen von den älteren Objekten in den stadtmäßig angelegten und wehrhaften Siedlungen aus dem 17. und 18. Jhdt. ist die große Mehrzahl der ländlichen Bauten bis zur Mitte des 19. Jhdts. auf älterer Grundlage neu errichtet worden. Ursache dafür war die große Anzahl verheerender Brände und derim Seewinkel sehr hohe Grundwasserspiegel.
Heutige Herausforderungen
Heute besteht eine der wichtigsten Aufgaben eines Welterbemanagements darin, die traditionellen pannonische Baukultur mit den modernen Bedürfnissen und Anforderungen möglichst harmonisch in Einklang zu bringen. Zentrales Ziel muss es sein, die Innen- und Außenansicht der Dörfer und Städte im Welterbe nicht in eine globalisierte Beliebigkeit abdriften zu lassen, sondern das bestehende Besondere so zu erhalten, dass diese typischen Aspekte erhalten bleiben, aber auch eine heutige Nutzbarkeit möglich gemacht wird. Am anderen Ende des Spektrums sollen sich diese regional-typischen Aspekte aber auch in den neu entstehenden Bauten wiederfinden. Nur so ist es möglich, das weltweit Einzigartige in der Welterbestätte Fertő-Neusiedler See dauerhaft zu schützen.